Donnerstag, 7. Juni 2012

Eigenwahrnehmung / Sexualität

Nun, das hier kommende ist sicherlich nicht unbedingt das, was andere als besonders interessant - bzw. vielleicht sogar als teilweise abstossend - betrachten, ist mir jedoch sehr wichtig, da viele gerade transsexulle Menschen das Thema bewusst vermeiden. Sollte sich jemand abgestossen fühlen, bitte ich diesen Post einfach zu überspringen. Ich werde aus meiner Sicht keine Grenzen des guten Geschmacks überschreiten, aber der  oder die Leserin mag vielleicht anderer Meinung sein. 

Leider ist es gerade in Bezug auf das von mir gewählte Thema rechtlich nicht ganz so einfach, wie man es im Allgemeinen vielleicht glauben mag. Das, was viele für belanglos halten ist für andere anstößig. Deshalb stelle ich für diesen speziellen Post ein paar Regeln auf, die ich zu beachten bitte:

Bei Verletzung von Persönlichkeitsrechten oder dem zuwiderhandeln gegen gesetzliche oder Forenbestimmungen weise ich darauf hin, dass ich den Text nach Beanstandung umgehend wieder entfernen oder entsprechend ändern werde und aufgrund dessen Abmahnungen nicht anerkannt werden und automatisch zur Widerklage mit Begründung dieses bewusst eingefügten Textes führen werden. Gleichzeitig mache ich darauf aufmerksam, dass Kommentare / Diskussionen  zu diesem speziellen Post bitte in sachlichem, einwandfreiem Ton zu führen sind und ich für die von dritten gemachten Aussagen keine Verantwortung übernehmen kann und will.



Eigenwahrnehmung / Sexualität

Im laufe meines bisherigen Lebens habe ich natürlich auch sexuelle Erfahrungen machen können - die bisherigen leider naturgegeben als Mann - einige der Begegnungen waren teilweise oberflächlicher Natur, sei es als Single auf Partnersuche oder als Junggeselle zur Zerstreuung. Andere wiederum gerade in längeren Beziehungen mit wesentlich tieferer Bedeutung.

Die meisten, bzw. fast alle der involvierten Frauen waren von mir als sexuellem Partner überrascht, (teils enttäuscht, teils belustigt, und teilweise halt auch sehr positiv - ich denke das ist in gewissem Sinne halt auch normal) da sie die aus Ihren bisherigen Kontakten gewonnenen Erfahrungen nicht mit meinem Verhalten vergleichen konnten und daher von anderen Voraussetzungen ausgingen oder andere Erwartungen von einem Sexualpartner hatten.

Die Gründe dieser Überraschung wurde mir erst im Laufe der Jahre klar, als ich nachhakte was denn genau  meine Partnerinnen irritiert hat: 
  • Ich war nicht dauernd "Leistungbereit", das heißt in Übersetzung, dass es viele Nächte gab, in der die Frau an meiner Seite mehr wollte als nur kuscheln und ich so überhaupt kein Interesse zeigte, egal was sie unternahm.
  • Wenn es denn zur Vereinigung kam, war ich stets verunsichert, wenn bei ihr irgend etwas nicht so lief wie wir uns das wünschten. - Mit der Folge, dass ich mich zurückzog, wo andere Männer womöglich weitergemacht hätten.
  • So genannter "harter" Sex ohne Rücksicht auf Verluste war und ist für mich nicht möglich, da ich zu keinem Zeitpunkt eine Erregung aufbauen kann, mit anderen Worten: Ich brauche immer erst eine Kuschelphase um in Stimmung zu kommen.
  • Bei mir ist die Refrektärphase relativ unauffällig, das heißt, das nach dem Höhepunkt nicht sofort ein Erschöpfungszustand eintritt, der die Erektion beendet. Das sorgt i.d.R. für ein zwar errigiertes Glied, das aber so empfindlich ist, dass es zu teilweise mehreren Höhepunkten kommen, aber meist einfach nur schmerzhaft sein kann. Manchmal wurde ich als "nimmersatt" belächelt, obwohl mir nach allem anderen als weitermachen zumute war.
  • Berührungen an meinem Genital sind und waren für mich in höchstem Maße unangenehm. 
Darüber hinaus wurden meine eigenen Empfindungen immer komplexer:
  • Die seit Jahren immer öfter vorkommende inverse Vorstellung vom Geschlechtsverkehr während des Aktes führt bei mir zu nahezu ungeahnter Erregung. (Das Kopfkino stellt um auf die Vorstellung eines weiblichen Geschlechtsverkehrs mit der Folge, dass es sich sogar so anfühlt als ob nicht ich eindringe, sondern in mich eingedrungen wird)
  • Stellungen, die mich in die passive Rolle drängen wurden immer attraktiver.
  • Immer mehr möchte ich die Kontrolle, die ich früher um jeden Preis haben wollte, meiner Partnerin überlassen.


Bis vor ein paar Jahren hielt ich das alles zwar für seltsam, aber nicht sonderlich bemerkenswert. Erst seit zwei Jahren, in denen ich mich über Transsexualität informierte und besonders nach dem endgültigen Selbsteingeständnis meiner Andersartigkeit im Laufe dieses Jahres meine ich den wahren Grund erfasst zu haben:

Ich vermute, dass sich mein Bewusstsein/Unterbewusstsein mehr und mehr gegen den angeborenen Körper und die damit einhergehenden Empfindungen und an mich herangetragenen Erwartungen sträubt. 

In einigen anderen Internetseiten habe ich gelesen, dass die Entwicklung des Gehirns bei Menschen mit Transidentitätsstörung gegengeschlechtlich verlaufen ist, was dann zu der Transsexualität geführt hat. Ich bin kein Mediziner- aber bei dem, was ich dort gelesen habe wundere ich mich gerade bezüglich meiner Eigenwahrnehmung nicht mehr. 

Auf einen Computer übertragen könnte man auch den Vergleich anstellen, dass auf einem Mac auch Windows laufen kann, aber eine wirklich Runde Sache wird da nicht draus. Ein weibliches Gehirn mag wohl mit einem männlichen Körper als Peripherie und mit der Software (Erziehung) eine gewisse Zeit funktionieren, aber wirklich absturzsicher ist das nicht.

Geschlechtsangleichende OP

Ob ein Mensch mit Transidentitätsstörung egal ob MZF oder FZM die geschlechtsangleichende Operation an sich durchführen lassen sollte, muss dieser für sich selbst entscheiden. Immerhin ist es ein schwerwiegender Eingriff, der erhebliche Risiken mit sich bringen kann. Gut finde ich jedoch, dass diese inzwischen nicht mehr Kriterium für die Personenstandsänderung ist.

Es mag Frauen geben, die Ihr Glied nicht entfernen lassen wollen, oder Männer die keinen Genitalaufbau vornehmen lassen und trotzdem ein glückliches und zufriedenes Leben führen können. 

Aus Rücksicht auf meine Frau und unser gemeinsames Sexualleben hatte ich Anfangs ebenfalls mit dem Gedanken gespielt die OP zumindest aufzuschieben, habe mich aber diesbezüglich umentschieden. 

Auch wenn ich noch ganz am Anfang meines Weges bin, weiß ich bei jedem Blick in den Spiegel, dass ich den Kerl da nicht mehr sehen mag, jede Berührung meines Geschlechtsteils erinnert mich daran, dass da etwas nicht stimmt. Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, zukünftig als Frau zu leben, wenn ich stets mit einem männlichen Geschlechtsteil herumlaufe.


Sodele, mehr werde ich zu dem Thema nicht verfassen (war eh schon viel zu viel, aber ich wurde von einigen Freunden darauf angesprochen und fand es wichtig genug für den blog), und bitte meinen Wunsch zu respektieren, keine Fragen jenseits des Gürteläquators zu stellen, da ich darauf definitiv nicht antworten werde.

4 Kommentare:

  1. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  2. Hallo Diana,

    sicher ein heikles Thema, aber der Sex gehört zum Leben dazu ... so wie du es dargestellt hast wird vieles auch anderen Transfrauen aus ihrer eigenen Wahrnehmung heraus bekannt vorkommen. Dass wir Transfrauen in der männlichen Rolle einige Besonderheiten hatten wissen unsere Partnerinnen, und ich meine, dass viele von uns beim Sex eher "kuscheliger" veranlagt sind stösst bei der Damenwelt durchaus auf Sympathie.

    Auch ich möchte nicht zu tief ins Detail gehen, aber eine Sache erwähnen die mir beim Nachdenken über Vergangenes wieder einfiel. Das mag so im Alter von 15-17 gewesen sein als ich in meinen Träumen vom Sex gelegentlich die weibliche Rolle einnahm wobei es mir in der Erinnerung so ist als ob mein Partner eine Partnerin war. Schon merkwürdig welche Streiche uns der Kopf so spielt.

    Die gleiche Überlegung hinsichtlich der GaOP wie du habe ich auch gemacht aber bin davon wieder abgekommen da in letzter Konsequenz niemand von Rücksichtnahme an dieser Stelle wirklich etwas hätte. Mit der Hormontherapie kann ich sowieso nicht mehr richtig als Mann "funktionieren", und die Gegenhormontherapie um das in den Hoden produzierte Testosteron in Schach zu halten belastet unnötig die Leber.

    Dein Computervergleich passt besser als du vielleicht glaubst. Auch auf einem MAC lässt sich Windows in einer virtuellen Maschine bestens fahren, Hauptsache die Prozessorarchitektur ist gleich. Bei uns Transfrauen ist es doch so dass dass unser Prozessor, das Gehirn, weiblich ist, wir schaffen es die männliche Oberfläche mehr oder weniger gut zu emulieren aber mit der weiblichen läuft das System irgendwie ruckelfreier.

    LG Corinna ;)

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  3. Hallo Corinna,
    im wesentlichen bin ich ebenfalls der Meinung, dass die Medikamentierung eine zu große Belastung darstellt. Zumal meine Frau noch so gar keine Vorstellung hat, wie dieser Teil unserer Beziehung nach begonnener Hormontherapie aussehen soll. Klar, sie liebt mich - Gott sei Dank - in erster Linie als Mensch und sieht mich nicht als Sexobjekt.

    Doch eine lesbische Beziehung... naja, sie weiß es noch nicht. Eines hat sie jedoch ganz klar und unmissverständlich gesagt: Sie hält an unserer Beziehung fest und steht mir bei allen Schwierigkeiten zur Seite - Originalton: "Liebe ist mehr als Sex".

    Mit soviel Glück hatte ich Ende März gar nicht gerechnet, da für mich Sonnenklar war, dass meine Veränderungen natürlich auch zum Ende meiner Beziehung führen würde. Ich kenne sie nun schon so lange und trotzdem kann sie mich jederzeit noch überraschen. Kaum hatte sie das Outing verdaut, setzte sie sich an den PC und suchte Klamotten für mich "schließlich sollst du ja nicht wie Seppl aussehn" ^^

    Der Computervergleich kam mir im übrigen spontan so in den Sinn, weil ich den Murks kurz vorm Urlaub nochmal habe machen müssen um Star Trek Online mal zu testen. -Klar es läuft aber irgendwie seltsam...

    LG Diana

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  4. Hi Diana, hi Corinna, aus meiner Perspektive als Partnerin einer Transfrau ohne GOP möchte ich Folgendes sagen. Es ist einfach nur Mist, wenn man seine Libido verliert als hormongeschwängerte Transfrau mit oder ohne GOP. Die Ursache sind ja meist die weiblichen Hormone. Ich stelle hier mal die These auf, dass man durch die angeborenen Sexualorgane fühlt, erregt wird und seine Libido aufbaut. Es scheint mir überwiegend der Fall zu sein, dass man durch die weiblichen Hormone seine Libido und Genitalfunktion kaputtmacht. Ob man nun sein Genital behält oder nicht, ist dies für die Betroffene, aber auch für die Partnerin frustrierend, auch wenn dies keiner wahrhaben will, denn man/frau „fühlt“ nun mal durch die angeborenen Sexualorgane, trotz konträrem weiblichem Gehirn. Kopfsex ist nicht das Gleiche wie Körpersex. Frauen neigen ja dazu, sich aus Liebe zu opfern. Meiner Meinung nach ist das Opfer, das eine Partnerin gegenüber einer Transfrau mit Hormonen/GOP fährt immens groß. Sie opfert im Grunde ihre ureigene Sexualität und ihre Fähigkeit, sich frei zu benehmen und auszuleben. Sie ist gezwungen so eine Art Konzeptsex zu entwickeln. Aber das ist ja sowieso meist ihr Los. Wenn eine entsprechende Partnerin bereit ist, sich auf eine Rolle a la Aggressor einzulassen, obwohl ihr gar kein echtes männliches Genital zur Verfügung steht, muss sie sich sich meist doch recht arg verbiegen und eine Rolle einnehmen, von der sich ihre Partnerin bereits verabschiedet hat. Das kann doch nicht im Sinne des Erfinders sein. Fast jede Frau kann sich sicher vorstellen, lesbischen Sex zu haben, aber auch dazu gehört vom Partner die entsprechende Libido, egal mit welchem Sexualorgan ausgestattet. Ist diese durch Hormoneinnahme oder „Verstümmelung“ per GOP weg, dann ist die ganze Angelegenheit recht künstlich und meist bleibt dann nur noch Platonik. Das ist ein Wahnsinnsrisiko.
    Für mich als Partnerin einer Transfrau, ist es auf jeden Fall besser, wenn die Transfrau ihre Geschlechtsorgane behält, weil das Risiko, dass sie gar nichts mehr fühlt, unheimlich groß ist. Außerdem ist das ewige Pochieren etc. ein absoluter Lustkiller und eine fürchterliche Einschränkung. Ich habe das Gefühl, dass die moderne Medizin sich fast ausschließlich am Aussehen orientiert, nicht aber an der Funktionalität und dem Gefühlswert.
    Warum nicht zu seinem Körper stehen, auch wenn er das „falsche“ Geschlecht hat?
    Alles Gute, euch beiden! M.

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