Sonntag, 13. Mai 2012

Hoffnungen und befreiendes

Nachdem ich mich in den ersten Post`s bezüglich meiner derzeit etwas desolaten Verfassung ziemlich ausgezogen habe denke ich es ist an der Zeit etwas mehr die Erwartungen und Hoffnungen anzusprechen. die mich so umtreiben.

Ich hoffe mir für mich endlich den Frieden mit mir selbst und meinem vom Umfeld getriebenen Ego zu finden. Die Tatsache, dass ich Zeit meines Lebens versucht habe es allen Recht zu machen bzw. den Erwartungshaltungen meiner sozialen Kontakte zu entsprechen hat mich für den Schock im März überhaupt so empfindlich machen können. 

Nachdem ich mich gegenüber den mir am wichtigsten erscheinenden Menschen "geoutet" habe kam auch ein wenig Ruhe in mein inneres und ich habe erkannt, dass ich zuerst mir selbst treu sein muss, bevor ich das Vertrauen anderer verdiene. Das war für den von mir gespielten Mr. 100% und alles Perfekt eine harte Nuss zu knacken, befreite mich aber unglaublich. Auch musste ich erkennen, wie sehr mich der Leistungsdruck eingeengt hat und wie befreiend es sein kann eben nicht alles zu können und damit auch gar nicht zu müssen.

Mein bisheriger Chef hat mir seine Hilfe und seinen Rückhalt angeboten. - Nun sehe ich meiner Selbständigkeit auch wieder wesentlich gelassener entgegen. Mal ehrlich, ich habe mir die schlimmsten Horrorszenarien ausgemalt, als ich mir vorstellte, im Jahr des Alltagstests ohne hormonelle Veränderungen meine Mandanten nach außen zu vertreteten - ich war schon fast so weit alle Hoffnung fahren zu lassen und mein Spiel solange weiterzumachen bis ich kollabiere. Die Vorstellung hat ja auch seinen Reiz - wenn ich meine männliche Rolle weiterspielen könnte, wäre zumindest die wirtschaftliche Zukunft um einiges einfacher. Doch Geld allein macht nicht glücklich, zumal sich der Aspekt relativiert, wenn man überlegt, dass ich die nächsten 20 Jahre nur für die Bank arbeite.

Doch meine Psyche steht mir da sowieso im Weg, der Kollaps aus März hat mir deutlichst aufgezeigt, dass es so nicht weitergeht. Ich muss meinen nun bestrittenen Weg weitergehen, wenn ich auf ein freies und selbstbestimmtes Leben hoffen möchte. Die Ängste um die Existenz in Verbindung mit dem Druck der mich treibt haben mich praktisch paralysiert, nichts ging mehr. Jetzt aber, nachdem ich den Mut gefunden habe endlich zu mir zu stehen, geht es wieder aufwärts.

Gleichzeitig hoffe ich (die realistische Erwartung sieht anders aus), dass mit der hoffentlich bald beginnenden Hormontherapie auch mein äußeres Erscheinungsbild langsam aber sicher nicht mehr gar zu sonderbar erscheint.

Klar, ich werde gerade während des Alltagstest herumlaufen wie ein bunter Hund, zumindest bis ich gelernt habe etwas weniger aufzufallen, aber wie ich an anderer Stelle beschrieben habe, fällt mir da meine körperliche Entwicklung etwas in den Rücken. Selbst mit der Einkaufsberatung meiner Frau befürchte ich , dass ich bis zur nächsten Wiedergeburt warten muss, bevor ich für alle als Frau erscheine. Aber auch das erscheint befreiend: Gerade weil ich weiß, dass ich auffallen werde macht mir der Gedanke mich nicht mehr so zurückhaltend kleiden zu müssen sogar Spass. - Die an einen Pinguin erinnernde Kleidung, die für meinen Beruf so typisch ist, war mir sowieso immer ein Greuel.

Und trotz aller zu erwartenden Widrigkeiten bin ich glücklich meinen Weg begonnen zu haben, ich wüsste nicht wie mein weiteres Leben verlaufen würde, wenn ich es nicht gewagt hätte. 





Mittwoch, 9. Mai 2012

Vorbereitungen

Da ich auf persönliche Bitte meines Arbeitgebers den Alltagstest vorerst aufgeschoben habe, habe ich mich entschieden einige vorbereitende Maßnahmen für diesen bereits jetzt schon durchzuführen.


  • Haare, da ich definitiv niemals eine Perücke tragen möchte, habe ich beschlossen, meine Haare erstmal wachsen zu lassen. Da ich persönlich keine Probleme mit Haarausfall bzw. Glatzenbildung habe, ist genug von dem Zeug vorhanden um , wenn es die richtige Länge aufweist, eine weibliche Frisur mit meinem eigenen Haar hinzubekommen. Das einzige Problem was ich sehe, ist meine genetisch bedingte vorgezogene Ergrauung, ob ich nun färbe oder bleiche habe ich noch nicht entschieden, ich denke das werde ich entscheiden, wenn es soweit ist den Figaro zu instruieren.
  • Der Bart muss ab! - Koste es was es wolle! Mit anderen Worten habe ich mich entschlossen meinem Bartwuchs bereits jetzt (auf eigene Kosten) mittels eines Hairfree-Instituts zu Leibe zu rücken. Klar, ich weiß, dass eine entsprechende Laserbehandlung unter Umständen auch auf Rezept möglich ist, aber erstens muss ich dazu eine entsprechende Befürwortung meiner behandelnden Ärzt vorweisen, zweitens den Antrag auf Kostenübernahme an meine Krankenkasse stellen. Da ich jedoch bereits seit meinem dreißigsten Lebensjahr überdurchschnittlich viele graue Haare (auch Barthaare) habe, gehe ich davon aus, dass ich das erwähnte Rezept für eine Nadelepilation dringend benötigen werde. Also gehe ich erstmal meiner schwarzen Baartbehaarung so gründlich wie möglich an die Wurzel.
  • Kleidung - hierzu muss ich leider etwas ausholen: Ich hatte zum Jahreswechsel mal wieder einen meiner idiotischen Anfälle, wo ich noch versuchte mir und meiner Umwelt zu beweisen, dass ich ein Mann bin, und habe alle erstandenen Kleidungsstücke der Kleiderkammer zukommen lassen. Der Schock, dass mir mein Chef kurz darauf erklärte, dass ich ab demnächst mörderische Schulden und die Verantwortung für den Betrieb sowie dessen Angestellten am Hals haben würde, konnte ich damals natürlich nicht vorraussehen - genausowenig, dass mich dieser in ein Gefühlschaos schubsen würde, der mich dazu zwingt meine gespielte Rolle als Mann endgültig in Frage zu stellen. Mit anderen Worten ich bin momentan dabei, alles was für mich in Frage kommt wieder zu beschaffen, was mit begrenzten Geldmitteln und in Anbetracht meiner benötigten Größen natürlich nicht ganz so einfach aber letztlich hoffentlich möglich ist. Da ich ein bestimmtes Maß an Wechselwäsche für unbedingt notwendig erachte kommt mir die Zwangspause in meiner Behandlung naürlich entgegen, obwohl alles in mir drängt den Rollenwechsel sofort anzugehen.
  • Vorsichtshalber habe ich meine Krankenkasse gebeten mir eine zusätzliche Karte mit meinem zukünftigen Namen auszustellen. Da ich aber den Namenswechsel  noch nicht amtlich beantragt habe, zickt diese derzeit noch ein wenig rum.
  • Stimmbildung - ich denke hierzu mache ich demnächst mal einen eigenen Post auf, da das Thema doch ein wenig umfangreicher ist. Ich erwähne es nur, da auch das ein vorbereitender Schritt ist, den ich durch den Kauf eines Software, DVD und CD`s umspannenden Pakets bereits auf den Weg gebracht habe.

Dienstag, 8. Mai 2012

Erwartungen

Nun, was erwarte ich von meiner bevorstehenden Verwandlung? - Das ist leider nicht annähernd so einfach zu beschreiben, wie sich die Frage liest.

Um das vielleicht beantworten zu können, zähle ich besser zuerst auf was ich NICHT erwarte:

Mein 196 cm hoher, infolge erheblicher Testosteronvergiftung und sportlicher Aktivitäten der Vergangenheit im praktischen Quadrat-Format entwickelter Körper eignet sich selbst in femininster Kleidung und dem modischsten Outfit auf Erden nicht sonderlich, um im "Deepstealth" mit der Menge mitzuschwimmen - schon gar nicht, wenn selbst zierlichste Absätze mich locker über die 2 Meter wuchten.

Wenn also der typisch deutsche Mittelstandsgoliath an meiner Figur hinaufblickt und bei dem Gesicht mit den freundlichen Augen mit dem Mörderzinken hängenbleibt, wird selbst der geneigteste Betrachter unwillkürlich unbewusste Vergleiche mit dem letztens begutachteten Diesellaster anstellen. Ganz besonders wenn die Angsprochene im tiefsten Brustton eines Subwoofers antwortet.

Ich erwarte also nicht, ständig und stets "nur" als Frau wahrgenommen zu werden. Für die überwiegende Menge werde ich also immer eine Frau mit transidenter Vergangenheit sein, was mir persönlich zunächst aber auch reicht. Hauptsache man erkennt auf den ersten Blick, dass ich definitiv KEIN Mann mehr bin.

Ich erwarte ebensowenig, mit Auflösung des jetzigen Rollenverhaltens auf einmal widerstandsfrei durchs Leben zu gehen (respektive zu stöckeln :) ) 

Mir ist bewusst, das ich gerade in der Anfangszeit vielerorts auf Ablehnung, wenn nicht gar offene Anfeindung treffen werde. - Die erwarte ich sogar, schlimmer wird`s wahrscheinlich mit Spott, Hohn, Häme  und dem schrägen Humor, den "Normalos" mir vermutlich entgegenwerfen. 

Wie geht man mit - unter Umständen sogar wirklich witzigen - Bemerkungen um, wenn einem grade eigentlich zum heulen zumute ist? - Eine Antwort darauf habe ich nicht, ich denke, das wird die Zeit zeigen und oder der Psychotherapeut richten müssen. 

Auch erwarte ich von der irgendwann kommenden Hormontherapie keine Wunder, sicher mein Körper wird mit etwas Glück sicherlich etwas weiblicher daherkommen, was aber auch zur Folge haben wird, dass die für meine Körpermaße eh schon knapp bemessenen Konfektionsgrößen noch knapper ausfallen und die verfügbaren Kleidungsstücke damit nochmals weniger werden. 

Immerhin die behördlichen Spiessrutenläufe, von denen die meisten T-Girls so oft berichten, hoffe ich aufgrund meiner Ausbildung und der langjährigen Erfahrung im Umgang mit Behörden im Griff zu haben. Ich kann mich hier natürlich auch täuschen, da ich dies in diesem Fall ja nun aus dem Blickwinkel des Betroffenen erlebe! Ich denke auch das muss ich auf mich zukommen lassen.

Die an die Rolle des typischen Manns in unserer Gesellschaft geknüpften Erwartungshaltungen kann und will ich zukünftig nicht mehr erfüllen, auch wenn es mich schmerzt, daran zu denken, was das für Auswirkungen auf meine Vaterrolle hat. Ich tröste mich derzeit mit dem Gedanken, dass Sohnemann vielleicht die Vaterfigur verliert, ganz sicher aber ein zweite Mutter hinzugewinnt.

Besonders schwierig sehe ich derzeit auch meine Beziehung (nein nicht was Ihr denkt, die Beziehung ist intakt) - meine Frau und ich sind durch eine Liebe verbunden und geprägt, die man mit Recht wohl selten findet. Doch werde ich Ihr wohl kaum zumuten können, durch meinen Geschlechtsrollenwechsel ihre sexuelle Ausrichtung zu ändern. Auch hier werde ich einiges zu lernen und an Problemen zu lösen haben.

Was ich also erwarte: (bitte nicht alles so ganz ernst nehmen, auch wenn ein Fünkchen Wahrheit drin ist)

  • Morgens nicht mehr den verdrießlichen Kerl im Spiegel zu sehen, den ich Zeit meines Lebens immer mehr hassen gelernt habe.
  • Während der Morgentoillette ebenfalls das Anrecht zu beanspruchen, das Bad für 2 Stunden zu blockieren.
  • endlich die Klamotten kaufen und tragen zu können, die ich früher nur im Schaufenster bewundern durfte.
  • Vor einem vollen Schrank mit meiner Frau zu diskutieren, dass ich nichts anzuziehen habe, mit dem Ergebnis, das eine spontane Shoppingtour vereinbart wird.
  • Auf dämliche Fragen mit einem nichtssagenden, dümmlichen Lächeln Antworten zu dürfen bis der/die Fragesteller(in) um eine verständliche Formulierung zu ringen versucht.
  • Bei ergreifenden Szenen in Film oder Theater nicht mehr (wie von mir als typisch männliches Verhalten verlangt wurde) angewiedert den Kopf wegzudrehen, sondern hemmungslos den Wasserhahn aufzudrehen.
  • Stundenlang belangloses auszutauschen, bei dem man hinterher gar nicht mehr weiß worum es urprünglich ging, nur um festzustellen, wie wichtig es ist darüber geredet zu haben.
  • Endlich in Ruhe kochen zu können, ohne sich bei jedem entschuldigender Weise als Hobbykoch outen zu müssen.
  • halt typisch weibliches auszuleben, ohne sich dafür im Keller verstecken zu müssen.
  • Genießen, endlich das tun und lassen zu können, wonach ich mich sehne und nicht das, was von mir in meiner männlichen Form erwartet wurde. 



Montag, 7. Mai 2012

Kommen wir zum Heute

Nach einer Gewöhnungszeit habe ich mich doch mit dem Thema auseinandergesetzt und festgestellt, dass viele der betroffenen Erlebnisse schildern, die sich mit meinen Erfahrungen vergleichen lassen, was mir geholfen hat das mir selbst entgegengebrachte Ekelgefühl zu mindern. Gleichzeitig drängt in mir immer mehr der weiblich-dominante Teil auf Erfüllung seiner Selbstbestimmung. 

Phasen übertrieben gelebter Männlichkeit, in denen ich wieder einmal meine erstandenen Kleidungsstücke wegwarf wechselten immer wieder mit Exkursionen in teilweise weiblicher Kleidung, bei denen ich mir insgeheim wünschte erkannt zu werden, zu leben als was ich mich fühle.

Ich trage seit drei Jahren regelmäßig Strumpfhosen unter der normalen Kleidung und gelegentlich des Nachts auch schon mal offen mit passendem Schuhwerk (auf den Kauf von weitern Kleidungsstücken habe ich wegen meines Versprechens meiner Frau gegenüber und der Tatsache, dass ich mit einem ziemlich männlichen Körper daher komme verzichtet). Damit kann ich mir bisher helfen den Druck auf mein inneres Gleichgewicht abzumildern, komme aber zunehmend in Schieflage - meine frühere fast schon sprichwörtliche Ruhe ist dahin, oftmals reagiere ich über die Maßen, was für die meisten Außenstehenden eigentlich kaum erkennbar ist, da ich versuche es mir nicht sonderlich anmerken zu lassen, letztlich zerreißt es mich innerlich aber immer stärker. 

Eine Standardsituation ist beispielsweise, wenn mein Sohn etwas Falsches tut / eine gezogene Grenze überschreitet, kommt er an und entschuldigt sich meist sogar von selbst. – Am liebsten würde ich ihn in die Arme schließen und trösten, muss aber aus irgendwelchen hirnrissigen Gründen den strengen Vater herauskehren, der ich gar nicht sein will. Das hört sich sogar für mich seltsam an, trifft den Kern der Sache aber sehr gut. Belanglosigkeiten bringen mich in Sekundenschnelle auf 199 obwohl mir schon beim Schimpfen eigentlich bewusst ist, dass es mir leid tut. 

Der Druck wächst, die auslösenden Faktoren sind mir klar, nur helfen tut es mir nicht: 

Mein Arbeitgeber hat mich im März davon in Kenntnis gesetzt, dass ich nach Möglichkeit den Betrieb bis zum 30. Juni 2012 übernehmen soll. Die Tatsache, dass ich ab demnächst für eine mörderische Finanzierung, sowie das Einkommen von acht Erwerbstätigen verantwortlich sein soll, hat mir den abschließenden Anstoss gegeben die gegenwärtige Entwicklung einzuleiten - der mich antreibende Druck wurde unerträglich.

Ich weiß, dass ich der beruflichen Herausforderung gewachsen bin, da ich den Job aufgrund der zunehmenden Zurückhaltung meines Chefs seit ca. drei Jahren bereits wahrnehme. Ich habe erkannt, dass solange meine Kraft in zwei Hälften gespalten ist, die sich gegenseitig bekämpfen werde ich zukünftig vermutlich scheitern. Gleichzeitig jedoch ist die Praxisübernahme auch das Ziel und der Wunsch all meiner beruflichen Bemühungen der letzten 20 Jahre. Ein Verzicht auf die mir gebotene Chance würde die Hälfte meines zurückgelegten Lebensweges für absurd und nichtig erklären.

Meine Gefühle jedoch verunsichern mich immer mehr - alltägliche Momente erinnern mich immer wieder an die Sackgasse, auf die ich unaufhaltsam zu taumele. Selbst einfache Aufgaben benötigen inzwischen immer mehr Energie um von mir gelöst zu werden - es ist als ließen mich meine Ängste erstarren. Ich fühle mich zunehmend kraftloser. 

Die Frau in mir schreit ich will leben, der Mann brüllt zurück ich kann noch nicht gehen. In meinem bisherigen Leben habe ich mich noch nie so zerrissen und einsam gefühlt, da mir in dieser Angelegenheit selbst der Zugang zu meiner Frau, die mir in den letzten Jahren bei allen Schwierigkeiten zur Seite stand nicht möglich ist, ohne alles zu riskieren, was für mich Wert und Bestand hat: meine Familie. 

Mein Sohn hat von meinem seltsamen Verhalten noch nichts bemerkt und entwickelt sich für einen Jungen erwartungsgemäß: Jungs sind cool, Mädchen (zumindest teilweise) doof, seine Interessen gelten den typischen Verhaltensmustern und es ist gut so, zumindest lässt es mich hoffen, dass er nicht auch später mit ähnlichen Problemen konfrontiert wird. Er braucht seinen Vater und ich habe Angst genau dies zukünftig nicht mehr so sein zu können, wie ich es jetzt bin. 

Meine Frau – ja, das ist so eine Sache, obwohl sie der mir am nächsten stehende Mensch ist, die alles mit mir teilt, konnte ich Ihre Einstellung bisher nicht wirklich einschätzen und fragte mich was passieren würde wenn sie davon erfährt, dass ich mich den erforderlichen Behandlungen unterziehe.

Sie sah bislang in mir Ihren Traumpartner, wie sie mich zukünftig wahrnehmen würde war ungewiss. Aufgrund ihres bisherigen Verhaltens würde ich sagen sie vermutete bereits einiges von meinen Problemen, wagte aber nicht den letzten Schritt, der Gesamtwahrnehmung meines merkwürdigen Verhaltens. Ich liebe sie wie ich noch nie jemanden in meinem Leben geliebt habe und wagte am 26.03.2012 ihr alles zu gestehen, egal ob es das Ende unserer Beziehung ist oder nicht - zu Groß war der Druck. 

Die fortwährende  Lüge um meinen Zustand zu beenden erschien mir als einziger Ausweg meine innere Zerrissenheit zu beenden. Erfreulicherweise nahm meine Frau dies sehr gelassen hin, gestand Sie mir nun ihrerseits, dass sie dies bereits seit dem seltsamen Fund in meinem Handschuhfach vermutete.

Selbst nachdem meine Frau nun von mir und meiner Selbstwahrnehmung erfahren hat spüre ich wie der Druck zunimmt. Sie sagt sie wird mich abhängig von der durch die Therapie gestützten Entscheidung nach Leibeskräften unterstützen, schließlich liebt sie den Menschen, der ich bin. 

Sie hat mir sogar angeboten im Falle eines Falles einen Wohnortwechsel in Betracht zu ziehen, doch ich halte das für grundsätzlich falsch. Egal wohin wir gehen würden, blieben die Grundvoraussetzungen immer gleich. Ich würde immer zumindest in der ersten Zeit als Parodie einer richtigen Frau auftreten, bis die körperlichen Voraussetzungen eine andere Wahrnehmung suggerieren würden. 

Der damit verbundene Standortwechsel würde meinem Sohn mehr schaden, als der vorübergehende Spott am jetzigen Wohnort, zumal unsere Eigentumswohnung nunmehr abgezahlt ist und ein Verkauf die finanzielle Absicherung der Familie nur unnötig gefährden würde. 

Auch will ich nicht weiter vor mir und meiner Natur flüchten – das habe ich praktisch die letzten Jahrzehnte getan, indem ich die mir aufgezwungene Rolle lebte, obwohl ich mich darin nicht wohl fühlte. Ein relativ kurzer Kampf um meine zukünftige Existenz erscheint mir sinniger als ein nicht endender Konflikt mit jeder gegebenen Umgebung und oder mir selbst.

Meine zukünftigen Aufgaben erfordern den Mann, der ich zu sein scheine, mein gefühltes ich kommt mit der Situation jedoch zunehmend weniger zurecht. Ich setze mich derzeit ungewollt selber unter einen Druck, der durch äußere Umstände stetig geschürt wird und mir kaum Zeit oder eine Wahl lässt zu reflektieren, was ich als nächstes tun möchte.

Seit dem 02. April befinde ich mich nun in entsprechender Behandlung, die Erstaufnahme durch die psychosomatische Abteilung der Uniklinik in Essen erbrachte die eindeutige Diagnose "Transsexualität", welche im weiteren Verlauf durch einen Psychotherapeuten begleitet wird.

Meine Probleme wachsen trotzdem:

Mein berufliches Umfeld kennt mich seit zwei Jahrzehnten als entschlossenen Mann, der in Krisen- und Stresszeiten mit den Anforderungen wächst, das Wort unmöglich nicht wahrhaben will und versucht alle mitzureißen. 

Mandanten wie auch die Mitarbeiter kennen nur meine männliche Seite und ich weiß nicht wie sie darauf reagieren, wenn ich mit meinem innersten an sie herantrete. Auch stelle ich es mir schwierig vor meine Führungsposition in meiner jetzigen Position als Vorgesetzter zu behalten, wenn ich mich so verletzlich präsentiere, doch der Rückhalt durch meine Familie macht mich stark.

Schlimmer noch ist das Verhältnis zu meinen Mandanten. Vielleicht nicht alle, aber mit Sicherheit viele würden meinen Ratschlägen – und seien sie noch so fundiert – misstrauen, immerhin habe ich es ja geschafft mein halbes Leben damit zu vertrödeln gegen mich und meine Natur anzukämpfen. 

Wie sollte ich also annähernd in der Lage sein Ihnen das Richtige zu empfehlen? Dazu kommt, dass ich sehr viele Außentermine wahrzunehmen habe, die mich ziemlich exponieren. Was wird der Bankangestellte denken, wenn ich wie eine Frau gekleidet als Mann vor ihm stehe, um die Kreditlinie meines Mandanten zu verhandeln? Wie reagiert der Richter in einem finanzgerichtlichen Prozess, wenn ich so zu seinem Prozess erscheine? 

Mein Chef wird im August 70 und drängt mich den Steuerberaterlehrgang noch einmal anzugehen, er sieht in mir seine Unternehmensnachfolge und Altersvorsorge. Tatsächlich sind die ersten Gespräche bezüglich einer Praxisübernahme erfreulich positiv abgeschlossen worden, derzeit bemüht er sich die erforderliche Finanzierung sowie eine Übergangsregelung mit der Berufskammer auszuhandeln, damit ich die Praxis bis zum bestehen meiner Fortbildung führen darf.

Gleichzeitig fühle ich mich meinem Arbeitgeber freundschaftlich verbunden und wage mir nicht einmal vorzustellen was in ihm vorgeht, wenn er vor mein Problem gestellt wird und er bewerten muss, welche Auswirkungen meine gegenwärtige Gemütslage auf ihn und seine Zukunftsplanung hat. 

Dessen ungeachtet und ohne Rücksicht auf meine weitere berufliche Entwicklung habe ich auf anraten meines Psychotherapeuten am 02. Mai meinen Chef von meinen Problemen in Kenntnis gesetzt. 

Wieder einmal habe ich einen Menschen aus vorweg genommener Angst falsch eingeschätzt - unglaublicher Weise hat er sich die Zeit genommen sich alles anzuhören und hat entschieden, dass es keinerlei Einfluss auf seine Entscheidung haben wird, er begründete dies wie folgt:

  1. Letztendlich haben die letzten zwanzig Jahre ihm und seinen Mandanten gezeigt, was ich beruflich zu leisten imstande war.
  2. Ob ich nun in Zukunft Steuerberater oder Steuerberaterin sein werde ist unerheblich auch Frauen sind im Berufsbild durchaus erfolgreich und werden als solche nicht in Zweifel gezogen.
  3. Auch ein eventuell anderer - extern - in die Firma integrierter Steuerberater hat Höchstwahrscheinlich mit Akzeptanzproblemen zu kämpfen, gerade weil er viele der bisher gegebenen Strukturen umwerfen würde, eine Übernahme durch einen Firmenangehörigen würden diese Probleme zunächst nicht betreffen.
  4. Um mich in meinem Weg zu unterstützen, versprach er mir für repräsentative Zwecke und den Kontakt nach außen für mindestens 3 Jahre weiter zur Verfügung zu stehen.
Er hat mich lediglich darum gebeten mich gegenüber der Belegschaft und den mir anvertrauten Mandanten erst bei Beginn des Alltagstest zu "outen" und diesen erst dann anzufangen, wenn ich gar nicht mehr anders kann. Die Reaktion des finanzierenden Kreditinstituts könnte er nicht voraussehen, sollte ich zum Zeitpunkt der Übernahme bereits indifferent auftreten.

So, nun sind wir bei der heutigen Situation angekommen. Mir ist bewusst, dass ich mich durch die detailreichen Darstellungen wie - Svenja* dies so schön ausdrücken würde - zum Löffel mache, doch ich denke, dass wenn dieses Tagebuch in irgendeiner Weise nicht nur mir helfen soll, muß dem oder der lesenden klar vor Augen stehen, wie sich der Leidensdruck sich bei mir äußerte. 

Jeder Mensch hat seinen eigenen Weg und seine eigene Art mit dem gelebten in Einklang zu stehen. Viele Erfahrungen mögen different oder übereinstimmend sein, doch um zu verstehen wie ich "ticke" ist ein über das bereits geschehene kürzen meines Lebensweges aus meiner Sichtweise sträflich.

(*Ihr für mich beeindruckender Blog "Svenja and the City" hat mir in der Wartezeit auf den Termin am 2. April viel Kraft gegeben)

Nächtliche Begegnungen

Nichtsdestotrotz ich hatte meine Damenschuhe, die Gefahr dass meine Frau im Schuhregal darüber stolperte war gering und ich trug die Schuhe meist nachts, wo einem kaum jemand begegnen würde. 

Trotzdem wurde ich 2 mal „erwischt“ einmal eine Gruppe von Jugendlichen (2 Mädchen, drei Jungen) die zunächst verblüfft geschwiegen haben und sich danach tot lachten und einmal traf ich eine Frau (Na toll die hält dich bestimmt für so einen Perversen), die sich erstaunlicher Weise nicht durch mich bedroht fühlte und sich sogar die Zeit nahm mir zu erklären, was da eigentlich mit mir los sein könnte: 

Es stellte sich heraus, dass sie selbst (Daniela damals geschätzte 28 J.) eine sg. Transfrau sei, die bis vor vier Jahren noch ein Mann war. 

Ich war perplex - sie sah wie eine natürliche Frau aus, hatte eine feminine Stimme und bewegte sich auch typisch weiblich, erst als sie mir von sich erzählte, bemerkte ich kleinere Anzeichen, die auf ihr früheres Leben als Mann schließen ließen(Adamsapfel, schmale Hüften, Hände). Sie kam gerade von einer Party und war auch nicht mehr so ganz nüchtern, aber die Begegnung hatte für mich einiges erhellendes. 

Bis zu diesem Zeitpunkt sah ich mich selbst als Mann mit einem irgendwie perversen Fetisch der von seiner Frau bis zu einem gewissen Grad toleriert wird. In annähernd zwei Stunden berichtete Sie mir Ihren Lebensweg und riet mir, mich doch einmal im Internet zu tummeln oder eine Selbsthilfegruppe aufzusuchen. 

Das Thema Transidentitätsstörung kannte ich bis dahin überhaupt nicht, schlimmer noch: Nach meinem damaligen Kenntnisstand waren Transsexuelle in erster Linie Männer die Ihren hormonell veränderten Körper in eindeutig sexuell orientierten Internetseiten exhibitionierten, oder gar sich selbst prostituierten um die Bedürfnisse Ihrer Konsumenten zu befriedigen - eindeutig das, was ich für mich eigentlich immer schon ausschließen und auch nicht sehen wollte. 

Doch nun stand hier diese bezaubernde Frau mitten in der Nacht vor mir und erklärte mir, dass meine Sicht der Dinge nicht nur falsch sondern auch anmaßend sei, besonders in Anbetracht der Tatsache, dass ich so seltsam bekleidet vor ihr stehe und nicht einmal mir selbst befriedigend erklären könne was genau bei mir hier gerade schiefläuft. 

Ich habe sie nie wieder gesehen und muss es auch nicht. Ich danke ihr jedoch im Nachhinein für den Augenöffner, ihre Argumente haben meine Engstirnigkeit gesprengt und ich beabsichtige mit meinen Vorurteilen wesentlich härter ins Gericht zu gehen. 

Aus Furcht vor dem was ich finden würde, habe ich zu diesem Zeitpunkt aber keine Recherchen angestellt, verzichtete sogar für einen kurzen Zeitraum auf diese Art von nächtlichen Ausflügen.

Ungefähr zwei Wochen nach dieser Begegnung fand meine Frau meine Schuhe doch, und sagte schlicht wenn es mir was bedeute könne ich sie ja behalten, aber sie müssen wegen der uns üblicherweise besuchenden anderen Eltern aus dem Schuhregal verschwinden. 

Mich darin sehen wollte sie nicht - es würde ihr bereits reichen anhand der Gebrauchsspuren zu wissen, dass ich sie nicht nur in der Wohnung trage. Sie bat mich lediglich ihr nichts aufzuhalsen, womit ich unser Zusammenleben mit den Nachbarn belasten oder unsere Existenz bedrohen würde. 

Ich hätte spätestens jetzt erkennen sollen, dass meine Frau ahnte was mit mir los ist, wollte es aber nicht wirklich wahrhaben. Ich lebte nach wie vor in Angst, dass sie mein "Geheimnis" entdecken würde.

Samstag, 5. Mai 2012

Teilouting

Ca. 1,5 Jahre gingen ohne weitere Rückfälle in das oben beschriebene Muster ins Land, doch ich fühlte mich zunehmend unwohler in meiner Haut, meine Gedanken schweiften immer öfter ab, warum fühle ich mich so und nicht mehr so wie in der Zeit vor der Schwangerschaft? Alles war so einfach damals, keine Unruhe trieb mich um, warum jetzt, warum so? 

Ich kaufte mir wieder Strumpfhosen, die ich unbemerkt tragen konnte, um wenigstens für mich etwas weibliches an mir zu haben, was soweit keiner bemerken konnte. Ich trug sie während meiner nächtlichen Arbeit sogar offen, da nachts wohl kaum jemand etwas bemerken würde. 

Als Nicko zwei Jahre wurde und der Monitor endlich verschwand, beschlossen wir meine Verwandten im Osten zu besuchen. Da mein Auto für die lange Reise entsprechen präpariert werden musste kam meine Frau auf die Idee mir beim Aufräumen behilflich zu sein und entdeckte eine Strumpfhosenpackung in meinem Handschuhfach und nahm an, ich würde Sie mit einer anderen Frau betrügen. 

Ich erklärte ihr, dass ich diese für mich selbst gekauft habe, da ich einmal ausprobieren wollte wie es sich anfühlt sie zu tragen, verschwieg ihr jedoch, dass ich es schon so oft getan habe. Ich bedauere heute meine Lüge - nein meine Feigheit von damals, hatte ich doch die Angst, dass meine Frau mich für den Gestörten hielt, den ich mir insgeheim immer vorwarf.

Doch cool wie es ihr entspricht, nahm sie das Ding mit in die Wohnung und sagte mir ich kann es anziehen muss aber darauf achten, dass der Kleine mich nicht darin sieht. Kurz und gut, ich zog die Strumpfhose an und präsentierte ihr das Ergebnis. 

Erstaunlicherweise fand sie es sogar gut und sagte, dass sie kein Problem damit habe, wenn ich mich so anziehe, aber sie hätte ein Problem damit, wenn ich ihr präsentieren würde, dass ich weitergehende feminine Kleidung tragen würde, oder aber Nicko`s Erziehung darunter litte. An dem Abend habe ich geweint vor Glück, dass meine Frau so auf mich und meine Bedürfnisse eingegangen ist, ohne sich abgestoßen zu fühlen. 

Vor ca. 2 Jahren kaufte ich mir in einer anderen Stadt ein Paar Pumps in meiner Größe, meine Aufregung war natürlich Groß - alles war geplant - am Freitag vor Rosenmontag kaufte ich also unter der Angabe mich am Rosenmontag als Frau zu verkleiden Pumps in meiner Größe. Bislang hatte ich trotz diverser Einkäufe von Frauenkleidern (grade in den Jahren 1998/1999) nie die Möglichkeit Schuhe in Größe 45 besorgen zu können, in der Zeit war das Internet noch nicht so weit wie heute, und Schuhläden, die solch große Größen führen sind selbst im Ruhrgebiet nicht oft vertreten.

Schon alleine die Suche nach ungewöhnlich großen Damenschuhen war schwierig und den Verkäuferinnen mein Anliegen zu erklären war für mich eine Überwindung, die man kaum nachvollziehen kann. Auch das Anprobieren unter den kritischen Augen von 2 Verkäuferinnen und ca. 4 Kundinnen war schon sehr seltsam, der Adrenalinkick, als eine ältere Dame auf mich zukam und sagte, dass sie wenn sie noch etwas jünger wäre ein ähnliches Modell wählen würde, war unbeschreiblich und ich traute mich die Pumps zu kaufen.

Dermaßen beflügelt, beschloss ich die Schuhe anzubehalten und erst im Auto wieder gegen meine normalen Straßenschuhe zu tauschen. Die Ernüchterung folgte fast sofort. Die Passanten in Düsseldorf nahmen zwar kaum Notiz von meinem seltsamen Schuhwerk bzw. belächelten mich teilweise, wie ich so versuchte zur Tiefgarage zu staksen, aber die ungewohnte Absatzhöhe sowie der damit unbeholfene Gang forderten ihren Tribut  – ich knickte nach kaum 10 Metern um und verstauchte mir den rechten Fuß. 

Hinkend ging ich zum Auto zurück und genoss trotz allem die Tatsache, dass ich in teilweise weiblichem Outfit durch Düsseldorf ging und nicht offen angefeindet wurde.

Meine Chance auf ein glückliches Leben

Ich traf meine heutige Frau auf einem Flohmarkt und verwechselte Sie aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit einer Jugendbekanntschaft, obwohl ich Sie aus meinem beruflichen Leben bereits kannte (nur so am Rande: gibt es eine Art optischen Freud?) schließlich arbeitet Sie als Abteilungsleiterin für Rechnungswesen und Lohnbuchhaltung bei einem unserer größeren Mandanten. 

Sie steckte in einer gescheiterten Beziehung, die im Verlauf der vorangegangenen Monate/letzten 2 Jahre immer mehr zu einer Wohngemeinschaft wurde und wollte eigentlich nur einen guten Freund.

Im Jahr 2000 wurde im Laufe von vielen Telefonaten, Gesprächen und dem wahrnehmen von gemeinsamen Interessen klar wie wichtig und nah wir uns gekommen waren und wie unglaublich wir  einander liebten.

Aufgrund mehrerer Probleme (Tod Ihrer Eltern, der nicht ausziehende ehemalige Lebensgefährte, Krankheit und Tod meiner Eltern) konnten wir unsere Beziehung leider nicht schon so früh ausleben, wie wir das wollten, aber das war für mich kein Hindernis.

Ein Jahr nachdem wir eine gemeinsame Wohnung hatten, erkrankte sie nach einer verschleppten Bronchitis im März 2005 an einer Lungenentzündung. Sie kam nach Hause, wollte mich ansprechen,  hatte bereits blaue Lippen und nicht genug Luft zum sprechen.

Sie fiel mir in die Arme und ich konnte sie noch rechtzeitig ins nächste Krankenhaus bringen. Nachdem Sie wieder gesund war, war für mich eindeutig klar, dass ich sie nicht verlieren wollte, - nein - nie verlieren durfte! 

Ich machte Ihr einen Antrag und heiratete Sie noch im selben Jahr.

Als meine Frau mir Ende Mai 2006 mitteilte, dass sich der ersehnte Nachwuchs einstellt bin ich schier geplatzt vor Glück. Alles schien perfekt - ich hatte gerade den Steuerberaterlehrgang begonnen, der Nachwuchs war unterwegs, meine Andersartigkeit hatte sich seit gut 6 Jahren nicht mehr bemerkbar gemacht - was sollte nun noch schiefgehen?

Erstaunlicherweise reagierte ich ungewollt mit ein wenig Neid, den ich nicht wirklich zuordnen konnte. Bitte jetzt nicht falsch verstehen, natürlich freute ich mich riesig und war natürlich auch nicht Neidzerfressen - es waren eher so kleine Stiche, die ich mir zunächst nicht erklären konnte (oder besser: wollte).

Aufgrund des fortgeschrittenen Alters bei einer Erstgebärenden wurden wir zur Vermeidung von Missbildungen dahingehend beraten eine sg. Fruchtwasseruntersuchung zu machen. Der Eingriff ging auch soweit gut, die Probleme traten jedoch einen Tag später auf – Sie verlor kontinuierlich Fruchtwasser, da sich die Perforation der Fruchtblase aus irgendwelchen Gründen nicht schloss. Nach drei Tagen schickte ihr Gynäkologe uns ins Krankenhaus des Eingriffs zurück, wo dann Oligohydramnion festgestellt wurde und sie stationär aufgenommen wurde. 

Entgegen aller Voraussagen schaffte sie es mit eiserner Willensstärke fünf Monate liegen zu bleiben und unserem Sohn das Leben zu schenken.

Doch geht es hier jetzt nicht um die Begleitumstände bezüglich der Schwangerschaft meiner Frau, ich erwähne dies nur um zu erklären  warum die nächsten Monate meine Sichtweise wieder einmal fundamental änderten.

In diesen 5 Monaten ging zunächst meine Fortbildung zum Teufel, da ich ja nun jeden Tag nach der Arbeit erst einmal für 2-3 Std. nach Oberhausen fuhr, meine Frau ver- und umsorgte, zu Hause ihre Sachen wusch und trocknete. 

Wegen der nicht ganz so optimalen Krankenhausküche im EKO kochte ich auch meist für den nächsten Tag vor, um etwas Genießbares mitbringen zu  können. Viel Zeit zum Lernen hatte ich da nicht mehr, dafür kreisten meine Gedanken nun darum, dass es eigentlich nicht fair ist – gefühlsmäßig müsste ich dort liegen und um unseren Sohn kämpfen. 

So kam es eines Abends, dass ich aus lauter Frust meine Frau wieder im Krankenhaus zurücklassen zu müssen ich mir eine Ihrer aufgrund des Krankenhausaufenthalts kaum gebrauchten Umstandshosen anzog um etwas Nähe von Ihr zu spüren, wenn ich abends allein zu Hause war.

Doch das redete ich mir glaube ich heute eher ein um mich selbst zu beruhigen. Der angeblich erhoffte Effekt blieb natürlich aus, etwas anderes jedoch kam unvermittelt wieder hoch – Da war er wieder der kleine Junge, der so gern ein Mädchen sein wollte, die unterdrückte Frau, die bis vor 7 Jahren mit meiner Männlichkeit kämpfte. 

Mit der Umstandshose fing es an, hörte jedoch nicht wieder auf – bald darauf kaufte ich in einem Supermarkt eine Strumpfhose, die mir besser passen musste als jene, die meine Frau trug, und trug sie ab sofort unter meiner männlichen  Kleidung während meiner Arbeit und zuhause offen unter besagter Umstandshose - es fühlte sich (wieder) total richtig an. In den paar Stunden zuhause mit den besagten Kleidungsstücken fühlte ich mich in meinem Körper halbwegs zuhause.

Sicher, keiner konnte mich so sehen, trotzdem fand ich Trost darin, dass ich mir meiner Selbstwahrnehmung so sicher war, einzig die Vorstellung, dass meine Frau mir auf die Schliche kam, war mir ein einziger Graus. Hinzu kam ein Schamgefühl, dass ich  trotz des guten Gefühls immer wieder an mir zweifelte (Mensch, du bist doch verrückt, das kann doch nicht sein, lass dich doch nicht so gehen)

Ich tat es wieder als fixe Idee ab und versuchte abermals mich selbst zu disziplinieren.Durch außerordentlich männliches Auftreten mit Dreitagebart und damit erzwungener Selbstbetrachtung als Mann im Spiegel gelang es mir mich bis zur Entbindung von dieser zu diesem Zeitpunkt für mich als irgend einen dummen Fetisch eingestuften Verhaltensweise halbwegs zu befreien.

Die Entbindung kam und mit Ihr kamen Frau und Kind nach Hause. Mit den neuen Eindrücken und Aufgaben kam auch etwas Ruhe in mein bewegtes Inneres. 

Die Tatsache, dass Nicko ein Frühchen war und in der Woche nach seiner Geburt infolge einer infektiösen Lungenentzündung Atemaussetzer hatte, bescherte uns für`s erste einen Atemmonitor. Dies und die Tatsache, dass er in 2006 zur Welt kam statt wie vorausgesagt in 2007 sorgte dafür, dass wir das neu eingeführte Erziehungsgeld nicht in Anspruch nehmen konnten.

Hinzu kam, dass wegen der Finanzierung der Eigentumswohnung der finanzielle Spielraum nicht da war, dass einer von uns auf seinen Beruf verzichten konnte. Wir sprachen mit unseren Arbeitgebern ab, dass wir nacheinander Arbeiten gehen konnten. Dies lief im wesentlichen so, dass ich von 3:00 Uhr morgens bis 11:00 und meine Frau von 12:00 – 20:00 arbeitete.

Pubertät, erste Beziehungen

In der Pubertät war ich verständlicherweise erstmal damit beschäftigt herauszufinden wie ich mich zu verhalten hatte, bzw. was die Mädels von mir erwarteten.

Meine Freundinnen aus Kindertagen hatten wenig bis kein Interesse etwas mit dem guten Kumpel zu starten - schließlich kannte man sich ja praktisch das ganze Leben.

Das komplizierte die Sache natürlich gewaltig, der Kontakt war praktisch über Nacht nicht mehr vorhanden, die typischen Mädchenthemen nahmen bei ihnen immer mehr an Bedeutung zu, und als offensichtlicher Junge war ich dabei natürlich nicht mehr gerne gesehen.

Ich übernahm immer mehr die Verhaltensweisen meines Bruders, der mir gegenüber natürlich durch seine fünf Jahre Vorsprung bereits einiges an Erfahrungen gemacht hatte, die ich erst noch hätte sammeln müssen. Dies verhalf mir zu einigen unverhofften Verbesserungen:

  1. Zunächst lockerte sich in den letzten zwei Schuljahren mein eher verklemmtes Verhältnis zu den männlichen Schulkameraden erheblich, die mich bis dahin eher offen ablehnten. Zu Professorhaft kam bisher meine Sprache daher, zu wenig Berührungspunkte mit den typisch jungenhaften Verhaltensweisen schreckte sie in der Vergangeheit zurück. Dies änderte sich nun gewaltig, sprach ich doch nun Ihre Sprache und verhielt mich so, wie man es von mir erwartete.
  2. Mädchen sahen in mir nicht mehr nur den Kumpel, sondern interessierten sich für mich. Der Umstand war für mich zwar schmeichelhaft, ich kam damit aber noch nicht so ganz zurecht.

Dies änderte sich aber nach der Schulzeit fast schlagartig, als ich ein umwerfendes Mädchen kennen lernte:

Meine ersten sexuellen Erfahrungen mit Kerstin, die über die Sommerferien bei Ihrer Oma zu Gast war, hätten zu einer durchaus guten Beziehung führen können, sie war im Abitur und musste wieder nach Hause, als es bei uns heftigst knisterte. 

Sie störte sich nicht an meiner für einen Jungen außergewöhlichen Zurückhaltung, sondern genoß es sogar nicht ständig bedrängt zu werden und damit selbst die Initiative übernehmen zu können. 

Aber ich war im ersten Jahr meiner Ausbildung zum Steuerfachgehilfen, die finanziellen Mittel waren gelinde gesagt begrenzt und meine Möglichkeiten sie in Oldenburg zu besuchen um unsere Beziehung aufrecht zu erhalten waren nicht ausreichend, was dann auch zum Ende der Romanze führte.

In meinem dritten Lehrjahr besuchte ich dann eine Tanzschule und hatte in Claudia eine liebenswerte und begabte Tanzpartnerin und Freundin. Die Tanzschule war mir verhasst, der Lehrer penetrant und je aktiver ich bei Claudia wurde, desto passiver wurde sie. 

Die Beziehung wurde immer anstrengender, je mehr sie Ihre Aktivitäten auf mich einzustellen versuchte. Ich möchte nicht ungerecht wirken - sie tat nahezu alles, was man(n) sich wünschen könnte um die Beziehung aufrecht zu erhalten, doch mir wurde mehr und mehr bewusst, dass ich NICHT der bestimmende Partner sein wollte, oder besser sein konnte. 

Ich schäme mich heute noch, dass ich sie nach dem Abschluss des Kurses ohne weitere Erklärung sitzen ließ, das mir innewohnende Gefühls-Chaos war jedoch stärker als meine Gefühle zu ihr. Ich bin mir sicher, wäre ich der Mann, der ich durch mein Äußeres zu sein scheine, die Beziehung wäre heute noch aktuell und glücklich.

Während meiner Grundausbildung bei der Bundeswehr traf ich dann die nächste bemerkenswerte Frau, die Beziehung endete auch hier aufgrund der Entfernung und meines kaum als Entlohnung zu bezeichnenden Solds. 

Dagmar war in fast jeglicher Beziehung bemerkenswert, mit dem Körper eines Topmodels, dem Gesicht eines Engels und der von mir gesuchten/gewünschten Progressivität gesegnet, hätte auch sie mich auf  Dauer glücklich machen können, doch es hat nicht funktioniert, da ich bevor etwas ernsteres passieren konnte umstationiert wurde.

Nach der Bundeswehr fing ich bei meinem heutigen Arbeitgeber an und lernte mit der Zeit alles das, was mir meine Ausbildung so nicht vermitteln konnte. Mein neuer Arbeitgeber gab mir die Zeit mich in das Büro einzufügen und meine Fähigkeiten auszubauen.

Doch während mein berufliches fortkommen durchaus erfolgreich war, wurde mein Privatleben stets unbefriedigender.

Mehrere kleine Liebschaften kamen und gingen, und ich war trotz der teilweise unglaublich tollen Frauen nie fähig eine Beziehung aufrecht zu erhalten. 

Phasen von "Crossdressing" wie man es heute so schön nennt und der totalen Verleugnung meines selbst, dem Ausleben von extrem männlichen Verhaltensmustern die ich mir selbst aufzwang wechselten und machten mir stark zu schaffen, da ich selbst mir nicht erklären konnte was mich dazu trieb. 

Meine damalige Selbsteinschätzung war kaum schmeichelhaft, nahm ich mich doch selbst als sexuell gestörten wahr, obwohl mit der weiblichen Verkleidung keine eindeutigen sexuellen Verhaltensweisen einher gingen.

1995 kam es dann zu einer Begegnung mit der Tochter einer Arbeitskollegin. 

Melanie wurde mir zum Lebensinhalt, für sie wollte ich mich ändern, meine Verhaltensmuster abwerfen, und ganz und gar Mann sein. Doch auch sie machte die volle Rolle rückwärts, liess jegliche bisher gezeigte Aktivität einschlafen und zog sich von fast allen von sich selbst ausgehenden gesellschaftlichen Kontakten zurück.

Sie überließ fast alle Entscheidungen mir. Ihre zunehmende Antribslosigkeit machte mir schwer zu schaffen. Die ersten Probleme traten auf, die ich -inzwischen verlobt- versuchte durch Zerstreuung zu lösen. Zwei Tage nach einer Urlaubsreise im Jahr 1997 eröffnete sie mir, dass es einen anderen Mann gäbe und dass ich sie bitte freigeben soll. Was soll ich sagen? Ich war eigentlich schon vorher kurz vorm Aufgeben, sie nahm mir die Entscheidung quasi nur ab.

Wenn dies der inbegriff einer Beziehung war, so wollte ich keine weitere.

Die folgenden drei Jahre verbrachte ich in selbstverordneter Einsamkeit und widmete mich meiner beruflichen Weiterbildung, indem ich einen Bilanzbuchhalterkurs absolvierte. Da nun keine Notwendigkeit der Selbstbeschränkung mehr da war, fing ich wieder an innerhalb meiner Wohnung weibliche Kleidung zu tragen, nur um alle paar Monate einen Rappel zu bekommen, alles wegzuwerfen und den Versuch zu starten mich dahingehend selbst zu diszipliniern es sein zu lassen. Immer mit dem Erfolg ein paar Wochen durchzuhalten um doch wieder rückfällig zu werden.

Aus heutiger Sicht* ist es kein Wunder, man kann ja schließlich auch nicht aufhören zu atmen, ohne dass man irgendwann nach Luft schnappt. Die Frau in mir brauchte halt eben ihre Luft und wenn es nur zuhause in den eigenen 4 Wänden war. Ein Rückfall war dann mal so heftig, dass es reichte:

*(ich wußte damals nichts über Transsexualität, und ging einfach davon aus, dass ich irgendwo gestört war.)

In einem Anfall von geistiger Umnachtung betrachtete ich meinen Unterleib und wollte mittels eines Skalpells, welches ich ursprünglich für Modellbauzwecke angeschafft hatte, meinem Problem selbst zuleibe rücken. 

Allein die Angst vor dem Schmerz hielt mich davon ab mir ernsthaft zu schaden, aber dieser Abend sowie die Tatsache, dass ich unter der mir selbst auferlegten Einsamkeit litt, beendete fürs erste meine gefühlte Weiblichkeit. 

Zu groß wurde die Unsicherheit bezüglich meiner selbst und meines Geisteszustands. Hinzu kam, dass drei Tage nach diesem Abend bei mir eine Gesichtslähmung auftrat, deren Heilung mich für die nächsten zwei Monate voll beschäftigte. Ich vermute heute, dass sie Ausdruck meines durchlebten Stresses war.

"So wird das nichts" dachte ich damals "du musst, wenn du wieder eine Beziehung willst erstmal auf den Boden zurückfinden, dem Spuk ein Ende machen und eine Partnerin suchen."


Donnerstag, 3. Mai 2012

Was bleibt ist ein Anfang

Hallo, was als Überschrift recht orakelhaft daherkommt ist mein Versuch mir selbst und den vielleicht interressierten ein Tagebuch über die Gefühlswelt einer Transsexuellen zu eröffnen.

Ich stehe mit meiner Entwicklung noch ganz am Anfang. Dementsprechend fange ich erst einmal damit an mich vorzustellen und dem Ausdruck zu verleihen, was mich bewegt. Ich denke ich fange mal zunächst mit meiner Kindheit und Pubertät an, in den folgenden Postings werde ich dann die nächsten Jahre abarbeiten, bis ich zum heute komme.

Ich entschuldige mich schon mal im voraus, wenn die ersten Postings nicht ganz so toll und lesenswert erscheinen wie man es vielleicht von anderen Seiten her kennt, aber ich verfüge leider (noch) nicht über allzuviele Webkenntnisse und muss mich erstmal in den Editor einarbeiten. Auch muss ich gestehen, dass ich momentan ein wenig neben der Spur bin und deshalb versuche diesen "Seelenstriptease" so schnell wie möglich hinter mich zu bringen, da es auch mir hilft, das gewesene noch einmal zu verarbeiten.


Ich wurde 1970 mit geboren und aufgrund meiner männlichen Geschlechtsmerkmale folglich als Mann registriert, abgestempelt und abgeferkelt. 

In meiner Kindheit, die ich in einer liebevollen Familie bestehend aus Vater, Mutter und 5 Jahre älterem Bruder genießen durfte, war ich im wesentlichen immer damit beschäftigt alles so zu machen, wie die Umwelt es von mir erwartete. Offenbar gelang dies so gut, dass zunächst keinem auffiel, dass es Unterschiede zur Entwicklung eines Jungen gab.

Und doch gab es diese Unterschiede, die aus heutiger Sicht vielleicht Aufschluss hätten geben können, doch in der damaligen Zeit wurde noch nicht nach solchen gesucht:

  1. Ich spielte nach Möglichkeit stets mit den Mädchen meiner Umgebung, was dahingehend interpretiert wurde, dass ich wohl mal der "Herzensbrecher" der Nation werden würde
  2. Die Art der Spiele war meist weiblicher Natur - Dinge wie Vater, Mutter, Kind, Puppen- und Rollenspiele waren um ein vielfaches interessanter als der typisch männliche Kram und alle freuten sich wie sozial ich mich doch entwickelte.
  3. Ich war Pflegeleicht, angepasst und abwaschbar, will sagen ein eher introvertiertes Kind, dass sich Stundenlang selbst beschäftigen konnte, ohne in irgendeiner Weise größere Auseinadersetzungen zu provozieren, außer vielleicht mit meinem Bruder oder wenn Ungerechtigkeiten auf dem Plan waren. Kein Grund also für große Diskussionen.

Nun ja alles in allem entwickelte ich mich den Umständen entsprechend. Durch meine Kontaktarmut gerade in bezug auf Jungs versuchten meine Eltern zunächst mir durch Anmeldung in einem Fußballverein eine Hilfestellung zu geben, was kläglich scheiterte, erst nachdem meine Mutter auf die Idee kam mich in einem Schwimmverein anzumelden, der mit seinen gemischten Gruppen mehr Möglichkeiten bot mich zu integrieren wurde ein Schuh draus. Im Alter von 8 Jahren merkte ich dann zum ersten Mal, das ich mich in der mir zugewiesenen Rolle nicht so wohl fühlte, wie es augenscheinlich mein Bruder tat.

Weibliche Kleidung war um ein vielfaches interessanter als der Murks den ich so zu tragen hatte, mit wenigen Ausnahmen waren meine Spielkameraden/Freunde weiblichen Geschlechts und ich fühlte mich zunehmend unwohler in meiner Haut.

Irgendwann, so ca. mit 9 erreichte meine körperliche Entwicklung eine Größe, die in etwa den körperlichen Ausprägungen meiner Mutter entsprach und ich begann heimlich in den Stunden, in denen ich alleine zuhause war die Kleidung meiner Mutter anzuziehen. Uuuiiiih, man was fühlte sich das gut an - falsch - es fühlte sich ganz einfach richtig an! Doch ich traute mich nie es meinen Eltern zu offenbaren.

Die Zeit verging und ich zweifelte immer mehr an mir, während ich immer wieder und immer öfter die Kleidung meiner Mutter anzog, bis zu dem Tag, an dem ich in der Meinung keiner würde meiner für einen Jungen absonderlichen Bekleidung großartig Beachtung schenken, (schließlich bin ich ja "nur" ein Kind, die meisten Erwachsenen sind auf der Arbeit und meine Eltern kaufen in dem Laden ja sowieso nie ein) versuchte mir in dem Outfit ein Eis zu kaufen.

Eine Nachbarin war zufällig in dem Tante-Emmaladen, und kaufte etwas ein, ich war zwar versucht immer ein Regal oder eine Eistruhe zwischen mir und ihr zu halten und war darin auch erfolgreich aber das Klappern der Pumps konnte ihrer Aufmerksamkeit wohl kaum entgehen. Trotzdem kam ich nach vollbrachter Tat (Die Verkäuferin schaute zwar etwas irritiert, sagte aber nix) gut wieder nach Hause.

Zwei Minuten später klingelte besagte Nachbarin und las mir die Leviten. "Das geht doch nicht"... "klar die Sachen sehn gut aus, doch es steht mir nicht zu sie zu tragen"... "ich bin doch nun alt genug um zu verstehen, dass alles was ich mache auf meine Eltern zurückfällt" - AUTSCH, das tat weh! Alles in allem sagte sie mir zu, meinen Eltern nichts zu verraten, aber ich selbst sollte dies tun. Sie hielt Wort, ich leider oder (wenn man bedenkt, dass ich glücklicher Vater bin) Gottseidank nicht.

Ich sah von da an erstmal davon ab weibliche Kleidung zu tragen und versuchte mehr denn je meine männliche Maske auszubauen. Mit erreichen der Pubertät und zunehmendem Interesse am weiblichen Geschlecht wurden meine Selbstzweifel immer geringer. "Puh - ich dachte schon ich wäre schwul)  In meinem damaligen Denken war dies durchaus eine Belastung."

Mit den ersten -noch kleineren- Beziehungen wurde ich immer selbstsicherer in Bezug auf mein mir aufgezwungenes Rollenverhalten, sodass ich vorerst nicht mehr groß auf mein inneres hörte, auch wenn es von Zeit zu Zeit aufschrie.