Donnerstag, 21. Februar 2013

Schatten der Vergangenheit

Sorry, wenn das jetzt mal ein Depripost wird - wer`s nicht lesen will ist herzlich eingeladen ihn einfach zu überblättern, der nächste ist mit Sicherheit wieder genießbarer.

Was ist passiert?  

Ich las ein Buch, ein Buch so lebendig und eindringlich geschrieben, dass es vermochte mich in jene Gefühlswelt zu ziehen, die ich nun seit einem Jahr zu vergessen suchte und dabei  fast vergass sie zu bewältigen. Selbst meinem Terapeuten konnte ich dies nicht erzählen, obwohl er  immer für mich da ist.

Durch die geschilderten Ereignisse in eine Stimmung versetzt, die mir meine Erinnerungen freischaufelte und mir die Möglichkeit eröffnete diese endlich zu verarbeiten verbrachte ich heute die Nacht damit, darüber nachzudenken, ob ich die Ereignisse die ich im Blog mit "Zusammenbruch", "Krise" und sonstwie betitelte doch noch veröffentlichen sollte oder nicht. Mit anderen Worten heute Nacht war ich einmal "Schlaflos in Essen" (* Hallo Pam die Nacht war noch nicht vorbei, als ich Dich zutextete, Sorry dafür und Danke für Dein außerordentlich gutes Buch ;))

Rückblende

Vor fast genau einem Jahr (es war der 22.02.2012) brachte mein Chef die Sache ins Rollen, indem er mir seinen Betrieb andiente. 

Die Panik vor der Verantwortung sowie der bereits bestehende wirtschaftliche Druck (Ich hatte gerade ein neues Auto finanziert, hatte vorher so ca. 7.000 Euronen erfolglos in das alte versenkt und nun sollte ich eine solche Wahnsinnssumme finanzieren?) brachten mich so aus der Fassung, dass ich meine bis dahin mühsam bewahrte Selbstdisziplin nicht länger aufrecht erhalten konnte. 

Durch Daniela bereits vor Monaten auf die richtige Spur gebracht wusste ich natürlich um meine Transsexualität, hatte ich doch inzwischen sehr viel nachgeschlagen. Bis zu diesem Tag konnte ich mir einreden, dass ich das unter Kontrolle habe, dass ich mit der von mir gefundenen Lösung würde leben können.  (Pustekuchen, da hast Du dich wohl ziemlich getäuscht, Dirk! - LG Dana)

Mehr oder weniger lustlos trieb ich in den folgenden 10 Tagen die erforderlichen Arbeiten voran, während meine Unsicherheit immer mehr wuchs und gleichzeitig mein Handeln immer weiter lähmte, bis ich mich bewusst dazu zwingen musste irgendwas zu tun. Es fühlte sich so an als ob mein Herz in einer Schraubzwinge festsaß, die sich immer weiter zuzog.

Ich hatte Angst, nein Panik, mich den mich umgebenden Menschen zu offenbaren, meine "Schwäche" einzugestehen. Angst vor den vermutlichen Folgen wie Verlust meiner Familie, Verlust meines Arbeitsplatzes, meiner mühsam erreichten Stellung in der Gesellschaft.

Nun kam Anfang März auch noch die Abrechnung meiner Direktversicherung, die mir auch noch eindrucksvoll bestätigte, dass ich tot mehr Wert war als lebendig. Und so begann ein Plan in mir zu reifen:

Meine Versicherung würde ausreichen meine Lieben zunächst zu versorgen, und wenn es ein Unfall wäre legt die Unfallversicherung noch ein hübsches Sümmchen oben drauf, das sollte ausreichen die Ausbildung meines Sohnes sicherzustellen. Die Restkreditversicherung bezahlt meine Schulden und der neue Wagen kann ja auch wieder zu Geld gemacht werden. Die Wohnung ist abgezahlt und die Rente spuckt auch noch was aus.

Warum zum Teufel sollte ich mich dann bitte Outen? Für alle wär`s ein tragischer Unfall und ich bin meine innere Zerissenheit für immer los.

Ich suchte mir einen Tag aus, an dem ich nicht nachts ins Büro fahren würde, zog auch bewusst nichts an, was Fragen aufwerfen würde, legte die Versicherungsabrechnung auf den Schreitisch zu den anderen Unterlagen die ich versprochen hatte am folgenden Wochenende endlich abzulegen, damit Elke diese im Bedarfsfall auch sofort zur Hand hat, ging ins Schlafzimmer, busselte den Kleinen, weckte meine Frau mit einem leidenschaftlichen Kuss und verabschiedete mich "Bis später."

Ich parkte direkt vor dem Zugang zum Büro auf dem Mittelstreifen einer stark befahrenen Strasse, damit es hinterher so aussehen würde, als ob ich Traumtänzer ohne zu gucken zum Wagen gegangen wäre und ging dann erstmal widerwillig meiner Arbeit nach. Als ich dann nach getanem Werk meinen Plan in die Tat umsetzen wollte, fühlte ich mich zum ersten mal seit Wochen wieder frei. Frei zu denken, frei zu handeln.

Doch ging etwas "schief" - ich hatte den LKW, der meinem Leben ein Ende setzen sollte schon im Blick und wollte los, als mich ein Nachbar aus dem Haus von hinten ansprach, ob ich ihm eben helfen könnte ein paar Sachen  in seine Wohnung zu tragen. Ich muss ihn damals angesehen haben wie einen Geist, denn er musste die Frage wiederholen, bevor ich reagierte und mit ihm die Brocken hochtrug. Schutzengel sind menschlich, na wenn das mal kein Beweis für einen gütigen Schöpfer ist, dann weiß ich`s auch nicht!

Doch vom Druck befreit konnte ich auf einmal wieder klar erfassen, was ich da grade zu tun im Begriff war und bekam einen regelrechten Ekelanfall vor mir selbst, nachdem alles oben war, ging ich einmal um den Block und betrat noch einmal das Büro, um zu suchen.

Doch diesmal suchte ich nicht den Tod, sondern Hilfe und bekam den Termin im April, der meine heutige Verwandlung erst möglich machte.

Nachtrag

Liebling ich erzählte Dir bereits, dass ich mit dem Gedanken spielte, doch wie wenig fehlte, traute ich mich nicht Dir zu erzählen.

2 Kommentare:

  1. "Wunder gibt es immer wieder, heute oder morgen können sie geschehen..." sang, glaube ich, mal Roy Black, der inzwischen tot ist.
    Du bist lebendig und hast immer mal wieder, wie wir alle, Flashbacks. Das ist absolut natürlich.

    Alles Liebe...
    Deine Familie braucht dich, so oder so :-)

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  2. Keine Bange, mir geht`s gut.

    Ehrlich gesagt fand ich den Flashback auch sehr gut, da er mir ermöglichte mich dem zu stellen.

    Ich war während des vergangenen Jahres groß darin, den speziellen Tag auszuklammern, fand Formulierungen, mich der Situation nicht erneut stellen zu müssen und fand keine Möglichkeit das jemals mit irgendwem zu besprechen. - Selbst meiner Frau konnte ich`s bis dahin nicht richtig erzählen.

    Interessanterweise ist dieser Tag auch der Grund, warum ich den Anteil Kerl in meinem Wesen so zu hassen gelernt habe. - Wie ein Dieb wollte ich mich davonstehlen, vor meiner Natur, meiner Frau und sogar meinem Sohn, der Verantwortung - egal was Du nimmst - mit dem Typen habe ich nichts gemein und will auch nix mehr mit ihm zu tun haben.

    LG

    Dana

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