Samstag, 5. Mai 2012

Meine Chance auf ein glückliches Leben

Ich traf meine heutige Frau auf einem Flohmarkt und verwechselte Sie aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit einer Jugendbekanntschaft, obwohl ich Sie aus meinem beruflichen Leben bereits kannte (nur so am Rande: gibt es eine Art optischen Freud?) schließlich arbeitet Sie als Abteilungsleiterin für Rechnungswesen und Lohnbuchhaltung bei einem unserer größeren Mandanten. 

Sie steckte in einer gescheiterten Beziehung, die im Verlauf der vorangegangenen Monate/letzten 2 Jahre immer mehr zu einer Wohngemeinschaft wurde und wollte eigentlich nur einen guten Freund.

Im Jahr 2000 wurde im Laufe von vielen Telefonaten, Gesprächen und dem wahrnehmen von gemeinsamen Interessen klar wie wichtig und nah wir uns gekommen waren und wie unglaublich wir  einander liebten.

Aufgrund mehrerer Probleme (Tod Ihrer Eltern, der nicht ausziehende ehemalige Lebensgefährte, Krankheit und Tod meiner Eltern) konnten wir unsere Beziehung leider nicht schon so früh ausleben, wie wir das wollten, aber das war für mich kein Hindernis.

Ein Jahr nachdem wir eine gemeinsame Wohnung hatten, erkrankte sie nach einer verschleppten Bronchitis im März 2005 an einer Lungenentzündung. Sie kam nach Hause, wollte mich ansprechen,  hatte bereits blaue Lippen und nicht genug Luft zum sprechen.

Sie fiel mir in die Arme und ich konnte sie noch rechtzeitig ins nächste Krankenhaus bringen. Nachdem Sie wieder gesund war, war für mich eindeutig klar, dass ich sie nicht verlieren wollte, - nein - nie verlieren durfte! 

Ich machte Ihr einen Antrag und heiratete Sie noch im selben Jahr.

Als meine Frau mir Ende Mai 2006 mitteilte, dass sich der ersehnte Nachwuchs einstellt bin ich schier geplatzt vor Glück. Alles schien perfekt - ich hatte gerade den Steuerberaterlehrgang begonnen, der Nachwuchs war unterwegs, meine Andersartigkeit hatte sich seit gut 6 Jahren nicht mehr bemerkbar gemacht - was sollte nun noch schiefgehen?

Erstaunlicherweise reagierte ich ungewollt mit ein wenig Neid, den ich nicht wirklich zuordnen konnte. Bitte jetzt nicht falsch verstehen, natürlich freute ich mich riesig und war natürlich auch nicht Neidzerfressen - es waren eher so kleine Stiche, die ich mir zunächst nicht erklären konnte (oder besser: wollte).

Aufgrund des fortgeschrittenen Alters bei einer Erstgebärenden wurden wir zur Vermeidung von Missbildungen dahingehend beraten eine sg. Fruchtwasseruntersuchung zu machen. Der Eingriff ging auch soweit gut, die Probleme traten jedoch einen Tag später auf – Sie verlor kontinuierlich Fruchtwasser, da sich die Perforation der Fruchtblase aus irgendwelchen Gründen nicht schloss. Nach drei Tagen schickte ihr Gynäkologe uns ins Krankenhaus des Eingriffs zurück, wo dann Oligohydramnion festgestellt wurde und sie stationär aufgenommen wurde. 

Entgegen aller Voraussagen schaffte sie es mit eiserner Willensstärke fünf Monate liegen zu bleiben und unserem Sohn das Leben zu schenken.

Doch geht es hier jetzt nicht um die Begleitumstände bezüglich der Schwangerschaft meiner Frau, ich erwähne dies nur um zu erklären  warum die nächsten Monate meine Sichtweise wieder einmal fundamental änderten.

In diesen 5 Monaten ging zunächst meine Fortbildung zum Teufel, da ich ja nun jeden Tag nach der Arbeit erst einmal für 2-3 Std. nach Oberhausen fuhr, meine Frau ver- und umsorgte, zu Hause ihre Sachen wusch und trocknete. 

Wegen der nicht ganz so optimalen Krankenhausküche im EKO kochte ich auch meist für den nächsten Tag vor, um etwas Genießbares mitbringen zu  können. Viel Zeit zum Lernen hatte ich da nicht mehr, dafür kreisten meine Gedanken nun darum, dass es eigentlich nicht fair ist – gefühlsmäßig müsste ich dort liegen und um unseren Sohn kämpfen. 

So kam es eines Abends, dass ich aus lauter Frust meine Frau wieder im Krankenhaus zurücklassen zu müssen ich mir eine Ihrer aufgrund des Krankenhausaufenthalts kaum gebrauchten Umstandshosen anzog um etwas Nähe von Ihr zu spüren, wenn ich abends allein zu Hause war.

Doch das redete ich mir glaube ich heute eher ein um mich selbst zu beruhigen. Der angeblich erhoffte Effekt blieb natürlich aus, etwas anderes jedoch kam unvermittelt wieder hoch – Da war er wieder der kleine Junge, der so gern ein Mädchen sein wollte, die unterdrückte Frau, die bis vor 7 Jahren mit meiner Männlichkeit kämpfte. 

Mit der Umstandshose fing es an, hörte jedoch nicht wieder auf – bald darauf kaufte ich in einem Supermarkt eine Strumpfhose, die mir besser passen musste als jene, die meine Frau trug, und trug sie ab sofort unter meiner männlichen  Kleidung während meiner Arbeit und zuhause offen unter besagter Umstandshose - es fühlte sich (wieder) total richtig an. In den paar Stunden zuhause mit den besagten Kleidungsstücken fühlte ich mich in meinem Körper halbwegs zuhause.

Sicher, keiner konnte mich so sehen, trotzdem fand ich Trost darin, dass ich mir meiner Selbstwahrnehmung so sicher war, einzig die Vorstellung, dass meine Frau mir auf die Schliche kam, war mir ein einziger Graus. Hinzu kam ein Schamgefühl, dass ich  trotz des guten Gefühls immer wieder an mir zweifelte (Mensch, du bist doch verrückt, das kann doch nicht sein, lass dich doch nicht so gehen)

Ich tat es wieder als fixe Idee ab und versuchte abermals mich selbst zu disziplinieren.Durch außerordentlich männliches Auftreten mit Dreitagebart und damit erzwungener Selbstbetrachtung als Mann im Spiegel gelang es mir mich bis zur Entbindung von dieser zu diesem Zeitpunkt für mich als irgend einen dummen Fetisch eingestuften Verhaltensweise halbwegs zu befreien.

Die Entbindung kam und mit Ihr kamen Frau und Kind nach Hause. Mit den neuen Eindrücken und Aufgaben kam auch etwas Ruhe in mein bewegtes Inneres. 

Die Tatsache, dass Nicko ein Frühchen war und in der Woche nach seiner Geburt infolge einer infektiösen Lungenentzündung Atemaussetzer hatte, bescherte uns für`s erste einen Atemmonitor. Dies und die Tatsache, dass er in 2006 zur Welt kam statt wie vorausgesagt in 2007 sorgte dafür, dass wir das neu eingeführte Erziehungsgeld nicht in Anspruch nehmen konnten.

Hinzu kam, dass wegen der Finanzierung der Eigentumswohnung der finanzielle Spielraum nicht da war, dass einer von uns auf seinen Beruf verzichten konnte. Wir sprachen mit unseren Arbeitgebern ab, dass wir nacheinander Arbeiten gehen konnten. Dies lief im wesentlichen so, dass ich von 3:00 Uhr morgens bis 11:00 und meine Frau von 12:00 – 20:00 arbeitete.

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