Sonntag, 13. Mai 2012

Hoffnungen und befreiendes

Nachdem ich mich in den ersten Post`s bezüglich meiner derzeit etwas desolaten Verfassung ziemlich ausgezogen habe denke ich es ist an der Zeit etwas mehr die Erwartungen und Hoffnungen anzusprechen. die mich so umtreiben.

Ich hoffe mir für mich endlich den Frieden mit mir selbst und meinem vom Umfeld getriebenen Ego zu finden. Die Tatsache, dass ich Zeit meines Lebens versucht habe es allen Recht zu machen bzw. den Erwartungshaltungen meiner sozialen Kontakte zu entsprechen hat mich für den Schock im März überhaupt so empfindlich machen können. 

Nachdem ich mich gegenüber den mir am wichtigsten erscheinenden Menschen "geoutet" habe kam auch ein wenig Ruhe in mein inneres und ich habe erkannt, dass ich zuerst mir selbst treu sein muss, bevor ich das Vertrauen anderer verdiene. Das war für den von mir gespielten Mr. 100% und alles Perfekt eine harte Nuss zu knacken, befreite mich aber unglaublich. Auch musste ich erkennen, wie sehr mich der Leistungsdruck eingeengt hat und wie befreiend es sein kann eben nicht alles zu können und damit auch gar nicht zu müssen.

Mein bisheriger Chef hat mir seine Hilfe und seinen Rückhalt angeboten. - Nun sehe ich meiner Selbständigkeit auch wieder wesentlich gelassener entgegen. Mal ehrlich, ich habe mir die schlimmsten Horrorszenarien ausgemalt, als ich mir vorstellte, im Jahr des Alltagstests ohne hormonelle Veränderungen meine Mandanten nach außen zu vertreteten - ich war schon fast so weit alle Hoffnung fahren zu lassen und mein Spiel solange weiterzumachen bis ich kollabiere. Die Vorstellung hat ja auch seinen Reiz - wenn ich meine männliche Rolle weiterspielen könnte, wäre zumindest die wirtschaftliche Zukunft um einiges einfacher. Doch Geld allein macht nicht glücklich, zumal sich der Aspekt relativiert, wenn man überlegt, dass ich die nächsten 20 Jahre nur für die Bank arbeite.

Doch meine Psyche steht mir da sowieso im Weg, der Kollaps aus März hat mir deutlichst aufgezeigt, dass es so nicht weitergeht. Ich muss meinen nun bestrittenen Weg weitergehen, wenn ich auf ein freies und selbstbestimmtes Leben hoffen möchte. Die Ängste um die Existenz in Verbindung mit dem Druck der mich treibt haben mich praktisch paralysiert, nichts ging mehr. Jetzt aber, nachdem ich den Mut gefunden habe endlich zu mir zu stehen, geht es wieder aufwärts.

Gleichzeitig hoffe ich (die realistische Erwartung sieht anders aus), dass mit der hoffentlich bald beginnenden Hormontherapie auch mein äußeres Erscheinungsbild langsam aber sicher nicht mehr gar zu sonderbar erscheint.

Klar, ich werde gerade während des Alltagstest herumlaufen wie ein bunter Hund, zumindest bis ich gelernt habe etwas weniger aufzufallen, aber wie ich an anderer Stelle beschrieben habe, fällt mir da meine körperliche Entwicklung etwas in den Rücken. Selbst mit der Einkaufsberatung meiner Frau befürchte ich , dass ich bis zur nächsten Wiedergeburt warten muss, bevor ich für alle als Frau erscheine. Aber auch das erscheint befreiend: Gerade weil ich weiß, dass ich auffallen werde macht mir der Gedanke mich nicht mehr so zurückhaltend kleiden zu müssen sogar Spass. - Die an einen Pinguin erinnernde Kleidung, die für meinen Beruf so typisch ist, war mir sowieso immer ein Greuel.

Und trotz aller zu erwartenden Widrigkeiten bin ich glücklich meinen Weg begonnen zu haben, ich wüsste nicht wie mein weiteres Leben verlaufen würde, wenn ich es nicht gewagt hätte. 





7 Kommentare:

  1. Hallo Diana,

    einen schwungvollen Start hat dein Blog schon mal, und so manches was du geschrieben hast kenne ich aus eigenem Blickwinkel auch. Die Geschichten vieler Transfrauen ähneln sich doch irgendwie.

    Du wirst mir das jetzt sicher nicht glauben, aber das mit dem Aussehen wird viel weniger ein Problem werden als du das jetzt siehst. Klar müssen wir alle "Frau" irgendwie lernen, und das was meine Töchter so ab 14 an Schminktechniken erforscht haben lerne ich mit 50+ - was solls, geht auch. Svenjas Blog ist ja auch für solche Dinge eine echte Fundgrube.

    Du scheinst, so wie du schreibst, durchaus das nötige Selbstvertrauen zu haben um dich nicht von irgendwelchen Behörden ärgern zu lassen. Du machst dir glaube ich auch hier zu viele trübe Gedanken die dir dann unnötig Kraft kosten.

    Bei mir war eine der ersten Massnahmen den Bart zu entfernen, parallel mein Outing durchzuziehen und seit Anfang 2012 lebe ich 24/7 die Frau die schon lange in mir war. Ich vermute bei dir wird das auch alles schneller gehen als du das jetzt glaubst. Zumindest in meinem Fall habe ich oft erlebt dass die Umwelt viel toleranter ist als ich es befürchtet hatte.

    Mit dem Thema Stimme ist es so eine Sache, das kann mühselig werden aber die Arbeit daran lohnt sich. Ich habe diesen Monat mit Logopädie angefangen, das ist spannend und erste klitzekleine Erfolge merke ich. Auch der längste Weg beginnt schliesslich mit dem ersten Schritt.

    Vor dem Alltagstest hatte ich auch vorher einigen Bammel bis ich es einfach gemacht habe, die Erfahrung war auch hier - alles halb so schlimm.

    Mir scheint du bist auf einem guten Weg und das freut mich für dich.

    LG Corinna ;)

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  2. Hallo Corinna,

    ich danke für die aufbauenden Worte.

    Klar selbstvertrauen ist da, ... wenn man es denn ein wenig rauskitzelt ^^ immerhin habe ich es ohne Drogen oder gar Suizidversuch geschafft meine 41 Lenze zu zählen und gehe stramm auf den 42. Burtzeltag zu, der Rest ist wie man so schön sagt Formsache.

    Tja, wie Du richtig vermutest stehe ich mir vermutlich mal wieder viel mehr selbst im Weg als die von mir im Blog erwähnten Umstände, ich werde daran arbeiten.

    Das mit der Stimmbildung ist derzeit noch so eine Sache, da mein Paket aus den USA noch nicht angekommen ist und mir die Logopädie noch nicht bewilligt wird. Selbst wenn ich den Schein habe, habe ich noch keinen blassen Schimmer, welche Logopäden im Ruhrgebiet Erfahrung haben mit Transfrauen. Egal, alles zu seiner Zeit.

    Liebe Grüße aus Essen


    Diana

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    1. Hallo Diana,

      für die Logopädie brauchst du keine Bewilligung, da reicht eine Überweisung vom HNO.

      Gute Logopäden mit TS-Erfahrung sind selten, evtl. wissen lokale SHGs was oder falls du im facebook bist schau mal vorbei bei http://www.facebook.com/groups/407286892632018/ ist eine Gruppe füt TG im Ruhrgebiet, evtl. weiss da einer was.

      Wenn dir das Vorankommen in der Sache wichtiger ist als der zu treibende Aufwand wäre vielleicht die Ulrike Semmelrock in Stuttgart was für dich - http://www.stimmigesleben.de/ - ich hatte mit ihr ein längeres Telefonat und war beeindruckt, habe mich dann aber aus praktischen Gründen für eine Logopädin in meiner Nachbarschaft entschieden die auch viel mit Transfrauen arbeitet.

      Ich hatte durch eine glückliche Fügung im letzten Monat die Gelegenheit mich recht tiefgehend an der Uniklinik Aachen in den Abteilungen Phoniatrie und Logopädie kundig zu machen, dort wurde mir abgeraten meine Stimme ohne Begleitung umzustellen. Die Überweisung für die Logopädie konnte ich dann gleich mitnehmen. Näheres bei http://corinna1960.blogspot.de/2012/04/als-proband-bei-einer-studie.html - du findest in meinem Blog auch einiges über meine Logopöädie was für dich evtl. als erster Eindruck interessant sein könnte.

      Das Thema Stimme wollte ich erst später angehen, aber ich merke zunehmend dass meine Stimme das ist, was mich noch als Mann verrät, ansonsten gehe ich ganz passabel als Frau durch. Und da ich halt recht schwatzhaft bin mache ich das jetzt mit der Stimmbildung auch wenns mühselig ist.

      LG Corinna ;)

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  3. Sorry für die späte Antwort, aber ich bin in Urlaubsvorbereitungen.

    die Links werde ich mir in einer stillen Stunde mal näher anschauen, vielen Dank für die Tipps.

    Eine Frage hbe ich aber doch noch: Du sagst ich brauch für die Logopädie ein Rezept vom HNO... heißt das ich renne zu meinem Hausarzt, lass mich zum HNO überweisen, erzähl dem meine Lebensgeschichte und lass mir einfach ein Rezept ausstellen?

    Ich hätte nie vermutet, dass es so "einfach" sein könnte.

    Danke im Voraus


    Diana

    PS: Kann sein, dass ich mich ein paar Tage nicht melde, dafür spiele ich dann Quitscheentchen in der Ostsee (brrrrr,bibber).

    Ich versuche aber trotzdem mittels 3G die eine oder andere Stunde zu surfen, wenn ich mal Empfang habe.

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  4. Hallo Diana,

    doch ist wirklich so einfach. Manchmal zicken die HNO aber ein bischen habe ich gehört.

    Hinsichtlich Stimmbildung mit Deep Stealth gibt es bei TxKöln Erfahrung, die sind von Essen aus ja auch nicht soooo weit weg. Sag ich als Bonnerin aber habs auch noch nicht dahin geschafft.

    Viel Spass in der grossen Badewanne die sich Ostsee nennt!

    LG Corinna ;)

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  5. Hallo Diana,
    ich konnte in deinen Worten sehr viel von mir selbst wiederfinden. Vor gut anderthalb Jahren sah es bei mir fast genauso aus.
    Behalten den Mut und die Kraft die ich in deinen Worten wiederfinde.

    Lieben Gruß aus Essen

    Pam

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    1. Hallo Pam,

      sorry für die späte Antwort, habe aber im Moment viel zu viel um die Ohren, wie gesagt ich schaufel mich derzeit zum Grund meines Schreibtischs durch - Urlaub ist doch was feines da kann man mal sehen, was im laufe von drei Wochen so zusammenkommt^^

      Mut und Kraft... ja das ist so eine Sache obwohl vorhanden, denke ich dass nicht diese allein mich vorantreiben, geade wenn ich in mich hineinhöre, machen Angst und Verzweiflung ebenfalls ein gerüttelt Maß des Drucks aus, der mich treibt.

      Angst niemals als ich selbst leben zu können und Verzweiflung wegen der "verschwendeten" Lebenszeit. Wenn ich nicht so blind und verbohrt darum gekämpft hätte ein Rollenverhalten aufrecht zu erhalten, das nicht meines ist/sein kann, hätte ich heute weniger Probleme... aber auch keinen Sohn, keine Frau - ich könnte vieles aufführen, aber eines ist sicher auch wenn ich viel von der mir gegebenen Zeit in hinsicht auf meinen Rollenwechsel verschwendet habe, bereue ich meinen Lebensweg in keinster Weise, er gehört zu mir und das ist gut.

      Mut und Kraft habe ich erst durch meine Familie wieder gewonnen, nachdem Angst und Verzweiflung mich zum Outing getrieben und damit den Weg geöffnet haben.

      Liebe Grüße aus Essen

      Diana

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